5 Fragen an Dr. Gertrud R. Traud, Landesbank Hessen-Thüringen
Christian Walburg
Verband deutscher Pfandbriefbanken
Deutschland ist durch die Corona-Pandemie 2020 in eine tiefe Rezession geraten. Wann wird es wieder besser, Frau Dr. Traud?
Dr. Gertrud R. Traud
Landesbank Hessen-Thüringen
Durch die Eindämmungsmaßnahmen im Frühjahr dieses Jahres hat die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal einen historischen Einbruch erlebt. Bereits im dritten Quartal gab es aber schon eine kräftige Gegenbewegung. Für 2021 bin ich optimistisch. Zwar wird der „Lockdown light“ den Erholungsprozess zum Jahreswechsel erst einmal unterbrechen. Im Jahr 2021 kommt es dann aber zu einer kräftigen Expansion der wirtschaftlichen Aktivität – unter der Voraussetzung, dass die inzwischen erfolgreich entwickelten Impfstoffe bald eingesetzt werden können. Dies wird eine erhebliche Stimmungsverbesserung in der Wirtschaft herbeiführen. Für das Gesamtjahr 2021 rechne ich mit einem Wirtschaftswachstum um preisbereinigt 5 %, so dass bis Jahresende 2021 sogar schon wieder das Vorkrisenniveau überschritten werden kann.
Christian Walburg
Verband deutscher Pfandbriefbanken
Werden wir im Zuge der konjunkturellen Erholung bald wieder positive Zinsen sehen?
Dr. Gertrud R. Traud
Landesbank Hessen-Thüringen
Da muss ich leider alle Sparer und die Investoren am Rentenmarkt enttäuschen. Trotz der konjunkturellen Erholung, einer wieder deutlich höheren Inflation und der drastisch gestiegenen Staatsverschuldung bleibt die Verzinsung 10-jähriger Bundesanleihen 2021 vermutlich im negativen Bereich. Dafür sorgen vor allem die Notenbanken mit ihrer unverändert extrem expansiven Geldpolitik. Ich erwarte somit lediglich einen ganz leichten Anstieg der Renditen. Zu Jahresende 2021 dürften die 10-jährigen Bunds bei -0,2 % liegen.
Christian Walburg
Verband deutscher Pfandbriefbanken
Die expansive Geldpolitik wirkt sich auch auf das Marktgeschehen von Pfandbriefen aus. Welche Erwartungen haben Sie für 2021?
Dr. Gertrud R. Traud
Landesbank Hessen-Thüringen
Der bereits hohe Bestand der Zentralbanken an Pfandbriefen nimmt weiter zu. Infolgedessen stehen Investoren immer weniger Anleihen zur Verfügung und dies belastet auch künftig die Liquidität des Segments. Allerdings stützen die stabilen Käufe der Notenbanken die Risikoprämien weiterhin. Wir sehen sogar noch leichtes Einengungspotential für Pfandbrief-Spreads. Dafür spricht das erwartete Emissionsangebot, das erneut unter den Fälligkeiten liegen dürfte. Auch die derzeit – und womöglich auch zukünftig – günstigen Refinanzierungsmöglichkeiten für Banken bei der EZB kommen hier zum Tragen.
Christian Walburg
Verband deutscher Pfandbriefbanken
Die EU hat mit dem Green Deal einen neuen Aktionsplan ins Leben gerufen. Welche Anknüpfungspunkte sehen Sie für den Pfandbrief?
Dr. Gertrud R. Traud
Landesbank Hessen-Thüringen
Zunächst einmal: Das Thema Nachhaltigkeit ist und bleibt ein Megatrend- auch bei uns im Research.
Nachhaltige Investitionsmöglichkeiten sind inzwischen so gefragt, dass das Angebot kaum Schritt halten kann. Dazu trägt der gesellschaftliche Wandel bei. Wesentliche Impulse kommen bereits von der internationalen Rahmensetzung. Mit dem europäischen „Green Deal“ kommt eine neue Dynamik ins Spiel. Der „Green Deal“ bezieht alle Wirtschaftszweige ein und gilt als neue Wachstumsstrategie der EU – mit sehr ehrgeizigen Zielen. Dass der Gebäudesektor dabei ein wichtiger Aktionsbereich ist, war zu erwarten, denn auf ihn fallen – je nach Statistik – 30-40% des Energieverbrauchs. Nicht unproblematisch für die Immobilienbranche ist, dass es in der Regel einfacher ist, ökologische Aspekte frühzeitig in die Planung eines Neubaus einfließen zu lassen, als bestehende Immobilien energetisch zu sanieren. Angesichts stark ausgelasteter Kapazitäten in der Bauwirtschaft sind schnelle Entwicklungen im Bestand daher wenig realistisch. Somit sind spürbare Fortschritte im kleinteiligen Wohnimmobilienmarkt ein ehrgeiziges Ziel. Durch den Green Deal dürften Hindernisse im Gebäude- und Bausektor nun entschlossener angegangen werden. Bei Gewerbeimmobilen sind Green-Building-Zertifikate bereits weit verbreitet. Aber nun zur Anlegerseite: Der Bankensektor spielt bei der Finanzierung nachhaltiger Projekte eine tragende Rolle. Das spiegelt sich unter anderem in der Zunahme von Green Loans und Green Bonds wider. Auch ein Wachstum des Grünen Pfandbrief-Marktes ist absehbar, auch wenn es noch eine Weile dauert bis die „grünen“ Teildeckungsmassen stärker wachsen werden und bis weitere Banken den hohen Aufwand für den Vorbereitungsprozess bis zur Emission abgeschlossen haben.
Christian Walburg
Verband deutscher Pfandbriefbanken
Das ablaufende Jahr hat auch die EU verändert. Welche Auswirkungen hat das für den Pfandbrief?
Dr. Gertrud R. Traud
Landesbank Hessen-Thüringen
2021 stellt für die EU den Beginn einer neuen Ära dar. Nach dem Ausscheiden des Vereinigten Königreichs sehen sich die verbleibenden 27 EU-Staaten mit Blick auf Wirtschaftswachstum, der Sicherung von Arbeitsplätzen und der Stärkung der Gesundheitssysteme, großen Herausforderungen gegenüber. So hat die EU aus dem Vollen geschöpft und will mit dem Aufbauplan „Next Generation EU“ in Höhe von 750 Mrd. EUR das Wirtschaftsgeschehen der EU-Länder stärken. Dabei steigt die EU zukünftig zum fünftgrößten Schuldner in Europa auf und die EU-Anleihen werden auf Jahre hinaus das Emissionsgeschehen mitbestimmen. Die Notenbanken werden im Rahmen ihrer Ankaufprogramme weiter kräftig zugreifen. Der Anteil von Covered Bonds und damit auch von Pfandbriefen dürfte sich aufgrund des Fokus der EZB-Ankaufprogramme auf den öffentlichen Sektor eher leicht vermindern. Dass die EU-Bonds die Nachfrage nach Pfandbriefen schmälern könnten und gar zu einem Anstieg der Risikoprämien führen könnte, sehe ich nicht. Nach der Emission der ersten EU-Bonds engten sich die Spreads bereits stark ein. Für Bankenanleger dürfte der deutliche Spreadabschlag zu Pfandbriefen die bevorzugte Behandlung bei der Erfüllung der regulatorischen Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen von EU-Papieren ausgleichen.