5 Fragen an Prof. Dr. Bernd Lucke, Mitglied des Europäischen Parlaments
Dezember 2018
Christian Walburg
Verband deutscher Pfandbriefbanken
Worin besteht für Sie der Mehrwert der Harmonisierung von Covered Bonds?
Prof. Dr. Bernd Lucke
In zwei miteinander verbundenen Aspekten. Der erste betrifft die Finanzmarktstabilität. Der Begriff der gedeckten Schuldverschreibung hat seinen Weg in diverse europäische Regelwerke gefunden und zwar unter der impliziten Annahme, dass eine gedeckte Schuldverschreibung ein sehr sicheres, qualitativ hochwertiges Instrument ist. Deshalb wird ihr in der EU-Finanzmarktgesetzgebung eine erhebliche regulatorische Privilegierung zugestanden. Aber bisher gab es im EU-Recht überhaupt keine präzise Definition der gedeckten Schuldverschreibung. In der OGAW-Richtlinie wurde noch nicht einmal der Begriff verwendet und das, was sich an Bestimmungsmerkmalen findet, ist so allgemein und wolkig gehalten, dass auch riskante und schlecht besicherte Finanzinstrumente sich als Covered Bond bezeichnen könnten. Das ist ein offenes Einfallstor für Risiken im Finanzsystem und dieses Tor schließen wir jetzt und schieben einen Riegel vor. Die neue Richtlinie enthält eine hinreichend genaue Definition der gedeckten Schuldverschreibung, sodass sich künftig nur noch hochwertige und sichere Produkte „covered bond“ nennen können.
Und damit sind wir genau beim zweiten Aspekt des Mehrwerts: Die Richtlinie verpflichtet alle Mitgliedsstaaten der EU zur Einhaltung ihrer Standards. Wir leisten also auch dem Produkt selbst einen Dienst, weil es nicht unter die Ansprüche der Richtlinie hin verwässert werden kann. Wir wollen ja, dass auch die Staaten, die bislang noch keine gut entwickelten Covered Bond-Märkte haben, die Nutzung dieses erfolgreichen Finanzinstruments vorantreiben, aber wir wollen eben auch, dass der gute Ruf der gedeckten Schuldverschreibung in den traditionellen Emittenten-Ländern nicht durch einen Wildwuchs an riskanteren und qualitativ minderwertigen Produkten gleichen Namens geschädigt wird. Beide Ziele erreichen wir durch die Vorgaben der Richtlinie.
Christian Walburg
Verband deutscher Pfandbriefbanken
Eine Aufzählung zulässiger Deckungswerte scheint politisch schwer durchsetzbar. Wie bzw. wodurch wird die besondere Qualität von Covered Bonds genau gesichert? Worüber sind Sie unzufrieden?
Prof. Dr. Bernd Lucke
Das Parlament ist hier meinem Vorschlag eines Mittelwegs gefolgt. Einerseits sehen wir eine Positivliste zulässiger Deckungswerte vor, die genau der Aufzählung in Artikel 129 Absatz 1 CRR entspricht. Andererseits wollen wir auch Innovationen im Markt ermöglichen. Es muss auch Produkte mit neuartigen, unkonventionellen Deckungswerten geben können, wenn diese ähnliche Qualität gewährleisten wie die traditionellen Sicherungswerte. Deshalb haben wir eine zweite Klasse von Covered Bonds geschaffen, bei der wir die Art der zulässigen Deckungswerte nicht festlegen, dafür aber strikte Qualitätsanforderungen definieren, die die Deckungswerte erfüllen müssen. Wir gewähren für diese zweite Klasse der Covered Bonds geringere regulatorische Begünstigung als für die Premium-Klasse. Nicht unbedingt deshalb, weil sie per Konstruktion weniger sicher sind, sondern vor allem deshalb, weil es weniger Erfahrungen mit derartigen, möglicherweise innovativen Deckungswerten gibt. Dieses Segment ist eine Klasse von Wertpapieren, die erst noch zeigen muss, dass sie gleichermaßen krisenfest und vertrauenswürdig ist wie die Premium-Klasse. In Fragen der Finanzstabilität wollen wir auf der sicheren Seite sein und um den Investor nicht irrezuführen, sollen beide Klassen auch durch unterschiedliche Labels gekennzeichnet werden.
Unzufrieden bin ich gleichwohl eher mit der Definition der Premium-Klasse. Auf Druck der italienischen Vertreter können Deckungsfonds der Premium-Klasse jetzt auch bis zu 5% Forderungen gegen Kreditinstitute umfassen, die lediglich Kreditstufe 3 haben. Hier haben die Christdemokraten im Europaparlament sich hier den Sozialdemokraten angeschlossen, die ganz massiv dafür geworben hatten – und damit gab es für die härtere Linie, die ich verfocht, leider keine Mehrheit. Es ist mir zwar gelungen, noch einige Einschränkungen bei Kreditqualität 3 einzubauen; so sind im Allgemeinen nur kurzfristige Depositen zulässig und bei Derivaten muss die nationale Aufsichtsbehörde ihre Genehmigung erteilen. Aber das ändert nichts daran, dass Kreditqualität 3 m. E. den Ruf des Premium Covered Bonds beschädigen kann, denn Kreditqualität 3 haben Institute, die in einer Krise ausfallen könnten. Allerdings sehe ich das wohl strenger als selbst die deutschen Vertreter aus Politik und Industrie. Es gab kurz vor der Abstimmung eine Chance, Kreditqualität 3 ganz aus dem Entwurf des Parlaments herauszubekommen, weil die Christdemokraten erwogen, sich meiner Linie anzuschließen, aber da fehlte es dann an Unterstützung von außen.
Christian Walburg
Verband deutscher Pfandbriefbanken
Werden ESN auch kommen?
Prof. Dr. Bernd Lucke
Das kann sein, aber es wird noch ein wenig dauern. Wir haben die Kommission mit einer Studie beauftragt und wenn darin dargelegt wird, dass ESNs eine sinnvolle Erweiterung des Spektrums darstellen, wird die Kommission einen entsprechenden Gesetzesvorschlag machen. Ich bin nicht völlig davon überzeugt, dass wir ESNs brauchen, aber ich bin auch keineswegs apodiktisch dagegen. Letztlich hängt es davon ab, ob ein Markt dafür da ist. Meine größte Sorge ist, dass man aus politischen Gründen einen solchen Markt künstlich schaffen möchte, indem man den ESNs eine zu hohe regulatorische Präferenz einräumt. Dieses Spielchen erleben wir ja gerade bei den SBBS.
Christian Walburg
Verband deutscher Pfandbriefbanken
Warum könnten bzw. sollten Strukturen mit einer Laufzeitverlängerung oder Pass-Through Ihrer Ansicht nach regulatorisch bestraft werden?
Prof. Dr. Bernd Lucke
Immer langsam. Ich wollte keine Bestrafung, ich wollte eine Begünstigung der Bonds mit Laufzeitverlängerung. Aber ich wollte eine geringere Begünstigung als die, die die hard bullets bekommen. Und zwar deshalb, weil das Liquiditätsrisiko der Investoren im Allgemeinen steigt, wenn die Tilgung des Bonds aufgeschoben werden kann. Wenn Bonds mit möglicher Laufzeitverlängerung aber riskanter sind als die klassischen Produkte, dann ist es m. E. zwingend, dass erstere ein höheres Risikogewicht erhalten als letztere.
Nun ist die Analyse des Risikos und der Risikoverschiebung zwischen Emittent und Investor sehr komplex. Das Liquiditätsrisiko des Investors ist bei CPTs zweifellos höher als bei einem hard bullet, wenn der Emittent nicht insolvent ist, sondern die Laufzeitverlängerung durch einen exogenen Trigger ausgelöst wird. Geht die Laufzeitverlängerung auf Insolvenz oder Abwicklung zurück, gilt das auch, sofern der Deckungspool so gut besichert und möglicherweise übersichert ist, dass trotz eventueller Notverkäufe die Zahlungsverpflichtungen aus dem Covered Bond-Programm voll erfüllt werden könnten. Ist dies aber nicht der Fall, sinkt durch Laufzeitverlängerungen möglicherweise das Kreditrisiko des Investors und ein Liquiditätsrisiko würde auch im hard-bullet-Fall existieren.
Allerdings wollen wir den Covered Bond ja gerade so konstruieren, dass der Deckungspool immer genug Deckung aufweist. Der letzte Fall sollte also die Ausnahme sein und die hinreichende Deckung die Regel. Dann muss man konsistenterweise auch davon ausgehen, dass Bonds mit Laufzeitverlängerungen in der Regel ein höheres Liquiditätsrisiko für den Investor beinhalten als die hard bullets. Und deshalb sollten sie ein höheres Risikogewicht haben.
Christian Walburg
Verband deutscher Pfandbriefbanken
Droht die Harmonisierung von Covered Bonds noch zu scheitern - wie hoch ist das Risiko, dass der Trilog nicht rechtzeitig abgeschlossen wird?
Prof. Dr. Bernd Lucke
Ich halte es für unwahrscheinlich, dass wir den Trilog nicht rechtzeitig abschließen.