6 Fragen an Dr. Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank

Ja, es gibt Grund zur Hoffnung. Es mehren sich die Anzeichen, dass der Welthandel mit Gütern nach einem Rückschlag im vergangenen Jahr in diesem Jahr wieder leicht zulegen kann. Bei etwas besseren Absatzchancen wird die schmerzhafte Lagerkorrektur im Verarbeitenden Gewerbe der westlichen Welt auslaufen. Statt dass Unternehmen weniger produzieren als sie verkaufen und ihre Aufträge bei Zulieferern immer weiter zurückfahren, um Lagerbestände zu räumen, werden sie wieder etwas mehr herstellen. Das hilft gerade auch der deutschen Industrie. Zudem steigt die Kaufkraft der Verbraucher dank höherer Löhne bei abflauender Inflation. Der private Verbrauch kann ab dem Frühjahr langsam in Gang kommen.

Ja, zumindest vorerst ist die Inflation unter Kontrolle. Haushalte müssen im Durchschnitt nicht mehr ganz so viel für Strom und Gas bezahlen als vor einem Jahr. Für einige Nahrungsmittel sinken die Preise, auch bei vielen Gütern hat der Preisdruck nachgelassen. Die Inflation kann im Sommer unter 2% fallen. Allerdings wird das nicht von Dauer sein. Bei besserer Konjunktur und anhaltendem Lohndruck als Folge eines zunehmenden Mangels an Arbeitskräften kann die Inflation allerdings im Jahr 2026 wieder auf etwa 2,5% klettern.

Mindestens drei Schritte von jeweils einem Viertel Prozentpunkt ab Juni 2024, gefolgt von drei weiteren Schritten im ersten Halbjahr 2025, bis der Einlagesatz 2,5% erreicht statt derzeit 4%. Dabei ist die Chance recht gut, dass die EZB in diesem Jahr sogar viermal ihre Zinsen senkt. Allerdings halte ich es für wahrscheinlich, dass die EZB bei wieder anziehender Inflation dann 2026 ihren Einlagesatz wieder auf das in etwa neutrale Niveau von 3% anheben muss.

Die Hauspreise werden zunächst weiter fallen, bevor sie etwa im Herbst 2024 ihren Tiefpunkt erreichen werden. Auch der Wohnungsbau wird bis Ende 2024 weiter rückläufig sein. Bei steigenden Einkommen, einer weniger restriktiven Geldpolitik und einer zunehmenden Knappheit an Wohnraum werden die Hauspreise ab 2025 jedoch wieder steigen können. Auch der Wohnungsbau kann ab dem kommenden Jahr wieder zulegen. Dagegen ist der Ausblick für Büroimmobilien auch mittelfristig eher durchwachsen.

Die Kurve normalisiert sich etwas. Am kurzen Ende sorgt die EZB für niedrigere Renditen, am langen Ende können die Renditen bei besserer Konjunktur, einem hohen Finanzbedarf der Staaten in den USA und Europa und der Aussicht auf eine wieder etwas höhere Inflation im Jahr 2026 dagegen sogar leicht steigen.

Bei 2,6% Ende 2024 und 2,8% Ende 2025.