5 Fragen an Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank
Christian Walburg
Verband deutscher Pfandbriefbanken
Die deutsche Volkswirtschaft zur Jahreswende 24/25 – was macht Ihnen Mut?
Cyrus de la Rubia
Hamburg Commercial Bank
Mir macht Mut, dass der gordische Knoten, in den sich die Ampel-Koalition verwickelt hatte, nunmehr durchschlagen wurde. Mit den im Februar stattfindenden Neuwahlen kann eine neue Regierung mit neuer Kraft ihrer Verantwortung gerecht werden und eine Wirtschaftswende einleiten, die diesen Namen dann auch verdient. Nach dem Wahlsieg Donald Trumps ist es umso dringender, unser Land wieder wettbewerbsfähig zu machen. Es ist wenig umstritten, woran Deutschland krankt und insofern bin ich zuversichtlich, dass eine neue Regierung sich rasch auf Maßnahmen wird einigen können, die die Infrastruktur nachhaltig modernisieren, die Energiepreise kurz- und langfristig senken, die Entbürokratisierung in der staatlichen Verwaltung, aber auch in Unternehmen – diese müssen sich hier auch an die eigene Nase fassen – vorantreiben, unseren Pisa-Rückstand wieder aufholen und last but not least die Verteidigungsfähigkeit wieder herstellen. Letzteres hätte im Übrigen auch kurzfristig positive ökonomische Effekte, wenn die Beschaffung von Waffensystemen in erster Linie in Europa erfolgen würde.
Christian Walburg
Verband deutscher Pfandbriefbanken
Zuletzt lag die Teuerungsrate so nahe am Stabilitätsziel von 2% der EZB wie lange nicht. Ist die Inflation im Euro-Raum besiegt?
Cyrus de la Rubia
Hamburg Commercial Bank
Nein, das ist sie nicht. Zuletzt haben die niedrigeren Energiepreise erheblich zum Rückgang der Jahresrate der Inflation beigetragen. Dieser Effekt verschwindet jetzt aus den Statistiken. Außerdem ist die Kernrate der Teuerung, also wenn man Energie und Lebensmittel ausschließt, und auch die Dienstleistungsinflation weiterhin zu hoch. Ich sehe im Übrigen strukturelle Gründe am Werk, die dafür sorgen dürften, dass die Inflation sich in den nächsten Jahren eher bei 3 % als bei der Zielmarke von 2 % bewegen wird. Einer dieser Faktoren ist die Demografie, die für einen nachhaltigen Arbeitskräftemangel sorgt und kurzfristig sicherlich nicht durch Künstliche Intelligenz beseitigt werden kann. Klimaschutzmaßnahmen, Extremwetterereignisse, die etwa die Versicherungsprämien nach oben treiben, und der absehbar weiter steigende Protektionismus sind weitere inflationstreibende Faktoren.
Christian Walburg
Verband deutscher Pfandbriefbanken
Die Zinszyklen in EUR und USD – wieviel Spielraum haben FED und EZB noch - welche Erwartungen haben Sie?
Cyrus de la Rubia
Hamburg Commercial Bank
Aus konjunktureller Sicht scheint die Eurozone erheblichen Spielraum für Zinssenkungen zu haben. Ich denke aber, dass mehr als zwei oder drei Zinssenkungen nicht mehr zu erwarten sind, weil das Umfeld tendenziell stagflationär wird, d.h. das Wachstum bleibt schwach, aber die Inflation steigt wieder in Richtung 3 %.
Die Fed befindet sich in einer ebenfalls sehr verzwickten Lage. Bisher ist die neue Regierung noch nicht am Ruder, aber die wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die Trump angekündigt hat, sind zum größten Teil inflationär. Das gilt für die höheren Zölle, das betrifft die Migrationspolitik und auch die Steuersenkungen für Unternehmen sorgen vermutlich für eine höhere Teuerung.
Christian Walburg
Verband deutscher Pfandbriefbanken
Welches ist Ihr Hauptszenario für die Zinskurve im Euro-Raum?
Cyrus de la Rubia
Hamburg Commercial Bank
Wir rechnen mit zwei bis drei Zinssenkungen bis zum ersten Halbjahr 2025, das sollte die kurzfristigen Renditen etwas nach unten drücken. Gleichzeitig könnten die langfristigen Renditen jedoch steigen, wenn die entsprechenden US-Renditen im Zuge der von Trump zu erwartenden inflationären Wirtschaftspolitik nach oben gehen. Das wäre eine relativ ungewöhnliche Konstellation.
Christian Walburg
Verband deutscher Pfandbriefbanken
Was bedeutet das für den Bankensektor?
Cyrus de la Rubia
Hamburg Commercial Bank
Die niedrigeren Kurzfristzinsen senken die kurzfristigen Refinanzierungskosten der Banken. Banken, die gleichzeitig in der Vergabe längerfristiger Kredite engagiert sind und in einem verantwortungsvollen Ausmaß Fristentransformation betreiben, können von den höheren Langfristrenditen profitieren. Abgesehen davon werden Banken natürlich nicht nur durch das Zinsumfeld beeinflusst, sondern auch durch die konjunkturelle Lage. Letztere schlägt sich in der Regel auf die Qualität des Kreditportfolios nieder. Wenn daher die neue Bundesregierung eine wachstumsfreundliche Wirtschaftspolitik betreibt und auf diese Weise einige der negativen Effekte, die uns etwa durch eine US-Zollpolitik treffen könnten, kompensiert werden, sollte der Bankensektor insgesamt in der absehbaren Zukunft Stabilität zeigen.
Christian Walburg
Verband deutscher Pfandbriefbanken