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Nachhaltigkeit

EU-Taxonomie - was kommt da auf uns zu?

Sascha Kullig

Sascha Kullig

Verband deutscher Pfandbriefbanken

Das Ziel ist gesetzt: „Ich will, dass Europa bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent der Welt wird“ sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gleich zu Beginn ihrer Amtszeit. Der damit ausgerufene Green Deal ist ein Projekt von immenser Dimension. Für seinen Erfolg schreibt die EU-Kommission sowohl der Finanz- als auch der Immobilienbranche eine besondere Bedeutung zu. Dementsprechend stringent wird das Themengebiet „Sustainable Finance“ von Brüssel aus vorangetrieben. Im Mittelpunkt steht dabei die EU-Taxonomie, die eine Definition für den recht dehnbaren Begriff der Nachhaltigkeit beinhaltet und damit allen Marktakteuren Orientierung geben soll.

Zwischen Bürokratiemonster und Praxistauglichkeit

Die COVID-19-Pandemie hat unser Leben auf den Kopf gestellt, sowohl der berufliche als auch der private Alltag haben sich radikal verändert. Entsprechend haben sich auch auf politischer und regulatorischer Ebene die Prioritäten verschoben. Einst wichtige Themen wie z.B. die europäische Implementierung von Basel III sind entweder verschoben worden, vorerst in den Hintergrund gerückt oder auch ganz von der Agenda verschwunden. Für die Klimapolitik scheint das indes nicht zu gelten. Zwar gibt es durchaus wichtige Interessengruppen, die eine Verschiebung der geplanten Maßnahmen im Bereich Green/Sustainable Finance fordern. Die EU-Kommission hält aber bislang offiziell an ihrem Fahrplan fest.

So hat sie angekündigt, dass ihr „Recovery Plan“ zum Wiederaufbau der EU-Wirtschaft nach der COVID-19-Pandemie einen grünen Kern haben soll. Am 7. April hat sie wie geplant eine Konsultation zur Überarbeitung ihrer Sustainable Finance Strategie gestartet1 , den Ende 2019 angekündigten Green Deal will sie durchziehen und die Arbeiten an der EU-Taxonomie für ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten laufen ebenfalls weiter. Nachdem die so genannten Trilog-Gespräche zur EU-Taxonomie-Verordnung zwischen EU-Parlament, Rat der EU sowie EU-Kommission noch vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie nach langen und politisch schwierigen Verhandlungen Ende Dezember 2019 erfolgreich abgeschlossen werden konnten, ist die  Veröffentlichung der Verordnung im Amtsblatt der Europäischen Union im Juni diesen Jahres erfolgt2.

Die Taxonomie-Verordnung sieht vor allem vor, dass Finanzmarktteilnehmer, die bestimmte grüne Finanzprodukte anbieten, veröffentlichen müssen, wie hoch der Anteil Taxonomie-konformer Assets in dem jeweiligen grünen Finanzprodukt ist. Demnach sind grundsätzlich weder das Kreditgeschäft von Banken noch Pfandbriefe erfasst. Kurz vor Abschluss der Trilog-Verhandlungen wurde jedoch eine Vorschrift aufgenommen, wonach Unternehmen, darunter auch Kreditinstitute, die nach der CSR-Richtlinie berichtspflichtig sind, auch zu einer produktunabhängigen, breiten Taxonomie-basierten Berichterstattung verpflichtet sind. Darüber hinaus könnten Kreditinstitute mit Blick auf grüne Immobilienfinanzierungen und Grüne Pfandbriefe Interesse haben, die Taxonomie-Kriterien freiwillig zu erfüllen.

 

Am 9. März veröffentlichte die Technical Expert Group on Sustainable Finance (TEG)3 ihre finalen Vorschläge für technische Evaluierungskriterien, die konkret definieren sollen, wann eine Wirtschaftsaktivität als „grün“ im Sinne der Taxonomie gelten wird. Die Vorschläge der TEG sollen im Laufe des Jahres in Delegierte Rechtsakte überführt werden.

Auf fast 600 Seiten summieren sich die technischen Evaluierungskriterien der TEG4, und dies nur für die beiden ökologischen Ziele „Eindämmung des Klimawandels“ und „Anpassung an den Klimawandel“. Die EU-Taxonomie adressiert indes noch vier weitere Ziele („Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen“, „Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft“, „Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung“ sowie „Schutz gesunder Ökosysteme“), für die von der noch ins Leben zu rufenden „Platform on Sustainable Finance“ im Laufe des nächsten Jahres Evaluierungskriterien entwickelt werden sollen. Das lässt erahnen, dass die EU-Taxonomie in ein wahres Bürokratiemonster auszuwachsen droht.

Für die in der Immobilienfinanzierung aktiven Pfandbriefbanken sind vor allem die Evaluierungskriterien für ökologisch nachhaltige Aktivitäten im Gebäudesektor interessant. Im Vordergrund steht dabei das Ziel „Eindämmung des Klimawandels“, da der Gebäudesektor in der EU für rund 40% des Energieverbrauchs und rund 36% des CO2-Ausstoßes verantwortlich ist. Hier hat die TEG vier ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten definiert:

  1. Neubau, wenn der Primärenergiebedarf 20% unterhalb dessen liegt, was der nationale Gesetzgeber für ein „Nearly Zero Energy Building“ definiert hat. In Deutschland wäre das 20% weniger als nach dem ENEV-2016 Standard gesetzlich vorgeschrieben.
  2. Energetische Sanierungen, wenn sie zu einer Reduzierung des Primärenergiebedarfs von mindestens 30% im Vergleich zur Basisenergieeffizienz des Gebäudes vor der Renovierung führen.
  3. Einzelsanierungsmaßnahmen, die darauf abzielen, den Energiebedarf bzw. CO2-Ausstoß von Gebäuden zu reduzieren.
  4. Erwerb von Bestandsimmobilien, wenn sie zu den Top 15% des nationalen Immobilienbestands in Bezug auf den Primärenergiebedarf gehören. Für Bestandsimmobilien ab dem Baujahr 2021 sollen die Neubau-Kriterien gelten.

Die ersten Einschätzungen von Pfandbriefbanken deuten darauf hin, dass es weder einfach sein wird, diese Anforderungen zu erfüllen, noch die Einhaltung der Kriterien nachzuweisen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Wirtschaftsaktivitäten zusätzlich keine signifikanten negativen Auswirkungen auf die anderen definierten ökologischen Ziele haben dürfen. Zur Überprüfung wurden sogenannte „do no significant harm“-Kriterien entwickelt, die ebenfalls eingehalten werden müssen. Mit Blick auf das Ziel „Schutz von Wasserressourcen“ muss z.B. sichergestellt sein, dass alle Armaturen bei einem Neubau den beiden besten Kategorien des EU Water Labels entsprechen. Da aber in Deutschland eine entsprechende gesetzliche Grundlage fehlt, wird es einer finanzierenden Bank aktuell kaum möglich sein, den erforderlichen Nachweis zu erbringen.

Angesichts der sich abzeichnenden Schwierigkeiten, die von der TEG vorgeschlagenen Anforderungen in der Praxis zu erfüllen, wird sich der vdp bei der EU-Kommission dafür einsetzen, die technischen Evaluierungskriterien bei der Überführung in Delegierte Rechtsakte praxistauglicher zu gestalten. Damit wollen wir auch erreichen, dass die Pfandbriefbanken zur Refinanzierung grüner Immobilienfinanzierungen künftig Grüne Pfandbriefe und grüne unbesicherte Bankschuldverschreibungen emittieren können, die im Einklang mit dem möglichen EU Green Bond Standard (GBS) stehen werden. Die von der TEG ebenfalls am 9. März veröffentlichten Vorschläge zur Einführung eines freiwilligen EU GBS Labels sehen eine Reihe von Anforderungen vor, deren Erfüllung überwiegend unproblematisch sein sollte, da es sich meist um bereits etablierte Marktstandards handelt. Einzig der Vorschlag, dass alle einem solchen Bond zugrundeliegenden Assets Taxonomie-konform sein müssen, könnte sich aus den oben genannten Gründen als praxisuntauglich erweisen.

Obwohl die COVID-19-Pandemie auch auf die Kreditinstitute und die Immobilienfinanzierung massive Auswirkungen hat, wollen die Pfandbriefbanken weiterhin ihren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten, indem sie vergünstigte grüne Immobiliendarlehen vergeben und sie über die Emission Grüner Pfandbriefe refinanzieren. Die Erfüllbarkeit der Taxonomie-Anforderungen und die Nutzung des geplanten EU GBS Labels würden nicht nur den Pfandbriefbanken helfen, sondern auch dazu beitragen, das Ziel der EU-Kommission zu erreichen, die Lücke zur Finanzierung des Klimaschutzes durch privates Kapital zu schließen. Dafür ist es aber erforderlich, dass die EU-Taxonomie nicht zu einem Bürokratiemonster mutiert, sondern praxistauglich gestaltet wird.

    Fußnoten:
  1. https://ec.europa.eu/info/consultations/finance-2020-sustainable-finance-strategy_en
  2. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32020R0852
  3. https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_economy_euro/banking_and_finance/documents/200309-sustainable-finance-teg-final-report-taxonomy_en.pdf
    Die aktuellste offizielle Fassung ist auf den 7. Februar 2020 datiert
    EN: https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/86a82d2a-49b8-11ea-8aa5-01aa75ed71a1/language-en/format-PDF
    DE: https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/86a82d2a-49b8-11ea-8aa5-01aa75ed71a1/language-de/format-PDF
  4. https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_economy_euro/banking_and_finance/documents/200309-sustainable-finance-teg-final-report-taxonomy-annexes_en.pdf

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